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Rückblick III: Gespräch und Diskussion mit Harald Thomé

Rückblick: Gespräch und Diskussion mit Harald Thomé

Der AKS Köln hatte am 6. November Harald Thomé, einen Mitgründer des Wuppertaler Erwerbslosenvereins Tacheles e.V. zum Gespräch eingeladen. Hr. Thomé stellte den Verein und die Arbeit dort vor.
Beeindruckend war der spürbare Stolz, dass Tacheles aufgrund seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit parteiische Sozialarbeit praktizieren kann. Dass dies aus seiner Perspektive notwendig ist, belegte Hr. Thomé mit zahlreichen Beispielen. Täglich wird im Tacheles mit zwei KollegInnen Sozialberatung angeboten. Eine große Anzahl der überprüften Bescheide zu Leistungen nach SGB II und SGB XII sind fehlerhaft, handwerklich schlecht gemacht oder schlicht in Unkenntnis der Rechte der AntragstellerInnen erstellt. So Harald Thomés Schilderungen. Tacheles formuliert Widersprüche, in dringenden Fällen werden Eilklagen initiiert.
Für Thomé stellt sich die Frage, ob die personell und fachlich schlechte Ausstattung zahlreicher Jobcenter System hat.
Diese Vermutung wurde diskutiert. Viele der Beiträge kamen von KollegInnen aus der Praxis, die ebenfalls in Selbsthilfevereinen oder professionell in der Sozialberatung tätig sind.
Fazit der Diskussion war, dass oftmals die Regelungen des SGB nicht korrekt angewandt werden und auf der anderen Seite das Gesetz selbst zu hinterfragen ist. Beispielhaft dafür steht § 61 SGB II, der Auskunftspflichten definiert. Achtet die Soziale Arbeit diese Norm, wird sie auf eine Kontrollfunktion gegenüber ihren AdressatInnen reduziert. Sollte hier die Soziale Arbeit initiativ werden und eine Änderung des Gesetzes fordern? Es bleibt Diskussionsbedarf.
Der AKS dankt Hr. Thomé und allen BesucherInnen für die lebendige Diskussion.

Rückblick II: „Work Hard Play Hard“

Am 28.10.14 hatte der AKS Köln zum Filmgucken geladen. Auf dem Programm stand:
„Work Hard Play Hard“. Ein Dokumentarfilm von Carmen Losmann (2011). “Work Hard Play Hard“ ist ein Film, der eindrücklich die schöne neue Arbeitswelt der MangerInnen zeigt und dabei gänzlich ohne Kommentare auskommt.

Während zu den Zeiten von Karl Marx die Menschen im Dreck und im Staub unter dem wachenden und strafenden Blicken der Fabrikvorsteher ihre Arbeit leisteten, zeigt dieser Film eine Arbeitswelt zum wohlfühlen. Es stellt sich die Frage: Hat die Kritik von Marx gewirkt?

Die schöne neue Arbeitswelt versucht es den ArbeitnehmerInnen rund um gut gehen zu lassen. Die Arbeitswelten versuchen die Arbeitsbedingungen mit den Bedürfnissen des Menschen in Einklang zu bringen. Das Gespräch mit Kollegen am Fließband wurde früher sanktioniert, heute werden für eine manageriale Elite räumliche Arrangements geschaffen, in denen das Gespräch, das Plaudern mit KollegInnen kultuviert werden soll. Das Schwätzen am Kaffeeautomaten ist nun erwünscht. Es wird davon ausgegangen, dass man hier über private Themen ins Gespräch kommt, dann schnell wieder beim Thema Arbeit landet und durch den kleinen Austausch zwischen KollegInnen frische Ideen und Kreativität entwickelt. Das Wohlfühlklima steigert ganz offensichtlich die Produktivität.

Und doch erweist sich der Arbeitnehmende als der hartnäckigste Brocken. Auch nachdem alle Prozesse und Strukturen revidiert, optimiert und auf Wachstum eingestellt sind bleibt klar, dass die Menschen sehr viel mehr Aufmerksamkeit benötigen als es bisher beachtet wurde – vor allem, wenn man das Gold in den Köpfen (und Herzen) seiner Mitarbeitenden heben möchte. So heißt es im Film von einer Change-Managerin: „Meine Aufgabe ist, dass das auch was Nachhaltiges ist, also den kulturellen Wandel in die DNA jedes Mitarbeiters bei uns, ja, entsprechend zu bepflanzen“.

In einem anschließenden Kommentar zum Film eröffnete Profin. Dr. Carmen Kaminsky eine interessante Unterscheidung, mithilfe derer sie das im Film deutlich gewordene Paradoxon zu verstehen versuchte: Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung. Die Besonderheit der schönen neuen Arbeitswelt bestehe darin, so Kaminsky, dass die Momente der Selbsterhaltung und der Selbstverwirklichung, also die „Sphäre der Notwendigkeit“ (Existenzsicherung) und die „Sphäre des Möglichen“ bis zur Unkenntlichkeit miteinander verschmolzen seien. So sei es nicht mehr möglich, zwischen Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung zu unterscheiden und es entstehe eine Illusion der Freiheit, die das Getriebensein der ArbeitnehmerInnen verdecke. So lassen Film und Diskussion die Frage offen, wie es sein kann, dass die schöne neue Arbeitswelt, mit ihren durchdesignten Wohlfühlbüros und Sofaecken trotzdem unglückliche, überarbeitete, gehetzte und überlastete Menschen produziert. Warum macht die schöne neue Arbeitswelt nicht glücklich?

Und warum macht die alte Arbeitswelt nicht glücklich?: ‘Work-Watch’ Buch: Die Lastenträger

Rückblick: Vortrag Helga Spindler

Am Montag den 27.10 war Helga Spindler zu Gast beim AKS Köln, mit einem Vortrag zur Frage der demokratischen Rechtstellung von Erwerbslosen und der Frage wie viel Raum das Menschenbild des aktivierenden Sozialstaat noch für fachliche Hilfen der Sozialen Arbeit lässt. Besonders eindrücklich waren ihre Ausführungen dazu, dass sich die veränderte Rechtsstellung von Erwerbslosen sehr konkret in den Praktiken der Argen manifestiert. Der subjektive Rechtsanspruch wird hier als Problem bearbeitet und durch unwürdige Sanktionspraktiken und neue Kontrollregulierungen ausgehöhlt, Helga Spindler konnte hier eine Vielzahl an Praktiken innerhalb der ARGEn anführen.

So wird der individuelle Rechtsanspruch im aktivierenden Sozialstaat zunehmenden selbst zum Problem. Die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger werden so vor allem durch neue Steuerungsmaßnahmen massiv beschnitten. Deutlich konnte sie aufzeigen, wie sich die ‘Neue Steuerung’ (New public Management), gegen eine Input Steuerung des Rechts wendet und wie das NPM darüber hinaus an den ‘Antistaatlichen Impulse’ der Sozialen Arbeit Anschluss findet. Dem liegt eine Vorstellung zugrunde, dass es so etwas gibt wie wirkliche Bedürftigkeit und unberechtigte Bedürftigkeit.

Das dahinter liegende Menschenbild formiert eine Vorstellung, das das Grundrecht auf Existenzsicherung direkt koppelt mit der Forderung nach Gegenleistungen, die jeder Mensch erbringen müsse, um seinen Anspruch auf Sicherung eines Existenzminimums geltend zu machen. Das in diesem Zusammenhang vor allem medial und politisch aufgeworfene Bild des Sozialschmarotzers oder des Zigaretten rauchenden Harz Empfängers, der das Geld nicht in die Bildung seiner Kinder steckt, ist der populistische Auswuchs dieser Ideologie.

Kritik der Sozialraumorientierung

Unter dem Motto „Etwas Besseres als Sozialraumorientierung findest
Du überall“ laden die Kolleg*innen vom AKS in Bremen zu einer Fachtagung am 9. Dezember ein. Diskutiert werden soll, ob es sich bei der Sozialraumorientierung tatsächlich um das versprochene Allheilmittel der Sozialen Arbeit handeln kann, oder ob die Anerkennung durch Politik und Verwaltung nicht eher misstrauisch machen sollte. Wie kann die Sozialraumorientierung im Kontext neoliberaler und neosozialer Sozialstaatsentwicklung eingeordnet werden? Lässt sie überhaupt die Möglichkeit für eine politisierte Soziale Arbeit, die sich an Perspektiven und Bedürfnissen der Subjekte orientiert? Diese und andere Fragen sollen im Laufe der Tagung diskutiert werden. Mehr Infos und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es auf der Website des Bremer Bündnis Soziale Arbeit.